PRESSESTIMMEN


Januar 2010

Die Tanzpädagogin Gabriela Jüttner auf einer Tagung im FSBZ

Kraft und Ekstase sind im Kontext christlicher Spiritualität eher im Tabubereich anzusiedeln. In den meisten Angeboten zum Üben von Spiritualität geht es um Stille und in der Stille zu sitzen. Was bedeutet es, dass Frauen im Erleben ihrer Spiritualität eher zu Stille als zum kraftvollen Spüren angeleitet werden?


Wie komme ich in den dritten Himmel ? (2. Kor 12,2)

ie Dimensionen Kraft und Ekstase sind im Kontext christlicher Spiritualität eher im Tabubereich anzusiedeln. In den meisten Angeboten zum Üben von Spiritualität geht es um Stille und ... mehr.


Modernes Tanztheater in der Bleckkirche
„Das Glück umarmen“
WAZ 19. April 08

GELSENKIRCHEN – Der Applaus mitten im Gottesdienst zeigte es deutlich: Die 14 Tänzerinnen des Tanztheaters Gabriela Jüttner hatten die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher erfreut, ja, glücklich gemacht. In ihrem Stück stellten sie zunächst die Hast und Ruhelosigkeit dar, mit der wir oft durch das Leben gehen. Doch dann wurden ihre Bewegungen langsamer, weicher und sie nahmen ihre Umgebung war, also die Kirchenarchitektur. Ihr tänzerisches Spiel mit den Säulen und Kirchenbänken, dem Altar und der Kanzel entwickelte sich zu einem Spiel miteinander: Sie hüpften auf imaginären Linien durch die Kirche, balancierten auf der Kirchenbank und erkundeten die Empore. Individuell, aber doch gemeinsam gestalteten sie den Abschluss: ein gemeinsamer Rhythmus, ähnliche Bewegungen, aber unterschiedliche Wege.

Zum 13. April lud das Frauenreferat des Kirchenkreises zu einem Gottesdienst in die Bleckkirche; viele Frauen und einige Männer kamen. Dieses Jahr stand der Gottesdienst unter dem Motto „Das Glück umarmen“, dazu passte die Kunstform Tanz – genauso flüchtig wie das Glück selbst – gut.

Die Predigt stellte einen Zusammenhang her zwischen der biblischen Rede vom Glück und dem modernen Tanztheater. „Die Glücklichpreisungen, besser bekannt unter dem Namen Seligpreisungen, sind Glückssprache, Wünsche im Indikativ. Sie stellen der Ungerechtigkeit eine andere Welt, die Vision eines Lebens in Fülle entgegen“, sagte Pfarrerin Antje Röckemann. „Wie die Feste in der Bibel, die gefeiert werden trotz der Armut und Unterdrückung. Glückliche Momente im Hier und Jetzt, wie im Spiel, wie im Tanz.“ Jeane Otto-Baraiktaris stellte in ihrer Lesung solche Glückstexte aus der Bibel und aus modernen Übertragungen vor. Christina Wienroth ließ in ihren Orgelimprovisationen die Flüchtigkeit des Glücks und die Freude an gelingenden Momenten erkennen.

Michaela Koenen-Welles zeigte in ihrem Eingangs-Solo die Begrenzungen und auch die Sehnsucht nach Weite. FOTO: CORNELIA FISCHER

Dass Glück geteilt werden will, zeigte die Kollekte von über 180,- Euro, die an die Aktion WEITBLICK zugunsten der Menschenrechtsorganisation medica mondiale e.V. geht. röck


Antje Röckemann
Tanzen lacht das Leben an
Ein Gespräch mit der feministischen Tanzpädagogin Gabriela Jüttner

Mit einem feministisch-pädagogischen Konzept unterrichtet Gabriela Jüttner Tanz, ihren Schwerpunkt hat sie dabei auf Tanztheater und Tanzimprovisation gelegt. Sie will Frauen einen Raum geben, in dem sie sich weitgehend stressfrei entfalten können – und zugleich Tanzauftritte entwickeln. Durch ihr tanzpädagogisches Konzept, aber auch mit ihrem Zentrum für Tanz und Bewegung macht sie dies möglich. „Es ist eine ganz tolle Arbeit, ich möchte keine andere tun“ sagt sie begeistert. Wie toll ihre Arbeit als Tanzpädagogin ist und welche Schwerpunkte sie setzt, davon berichtet sie im folgenden Interview.

Bei der Recherche im Internet fand ich in Verbindung mit deinem Namen das Stichwort „feministische Tanzpädagogin“. Das hat mich sofort interessiert, denn die Verbindung „Tanz“ und „feministisch“ ist nach meiner Wahrnehmung eher selten. Wie kommst du zu dieser Berufsbezeichnung?

Ich arbeite einfach mit einem feministischen oder frauenpolitischen Bewusstsein, das ist für mich selbstverständlicher Bestandteil meiner Arbeit. Entwickeln konnte ich das in der Zeit als Mitarbeiterin der VHS Dortmund im Bereich Frauenbildung.

Nach dem Studium der Sozialpädagogik und Tanzpädagogik habe ich im Bereich Frauenbildung der VHS Dortmund gearbeitet und da habe ich den Gedanken einer feministischen Tanzpädagogik entwickeln können. Schon mit Anfang 20 habe ich mit Bauchtanz begonnen und weil mir da viele Klischees entgegen kamen, bin ich ganz stark in die Reflexion, in die Auseinandersetzung mit dem orientalischen Tanz und dem Feminismus gegangen. Als Dozentin an der VHS war es für mich dann sehr befreiend, mich wirklich mit dem Statement „Das Private ist politisch“ befassen zu können. Damals, also 1991, konnten wir unsere Kurse auch noch zu zweit leiten, da war mehr möglich als heute.

Was unterscheidet konkret feministische von „normaler“ Tanzpädagogik?

Vielleicht ist das am besten zu beantworten durch das Feedback einer Teilnehmerin aus meinem Tanztheaterprojekt. Sie sagte, dass sie im Tanzbereich bisher kein Projekt kennen gelernt hat, wo es so ein intensives Miteinander gibt, obgleich wir ganz klar für Auftritte proben. Das ist für mich das Wichtigste, das ich für Frauen einen Raum schaffe, in dem sie zielorientiert und trotzdem relativ stress- und konkurrenzlos miteinander arbeiten können. Sie entwickeln dann eine Kraft, ein Selbstbewusstsein und eine Stärke, die ich einfach nur phantastisch finde.

Außerdem reflektiere ich ständig meine Rolle als Leiterin, achte auf meine Sprache. Für mich ist das eine selbstverständlich Haltung geworden, durch das Feedback meiner Frauen merke ich aber, dass es gar nicht selbstverständlich ist.

Wie bist du überhaupt zum Tanzen und zum Tanz als Beruf gekommen?

Das fing bei mir schon mit 8 Jahren an. Der Bochumer Kinderchor fuhr regelmäßig auf Freizeiten, bei denen viel getanzt wurde, und das Tanzen wurde mir irgendwann wichtiger als das Singen. Mit 12 Jahren bin ich zum Standard-Tanz gegangen und hatte das Glück, dass ich in eine Gruppe der 16-18jährigen integriert wurde, so konnte ich schon sehr früh auf sehr hohem Niveau Standard-Tanz mittanzen. Mit 15 sind wir dann aufs Land gezogen, da gab’s erst mal nichts. Dort habe ich dann ein autonomes Jugendzentrum mitgegründet und selbst Tanz unterrichtet. Als ich 19, 20 war, kam Bauchtanz auf und dann habe ich orientalisch getanzt.

Zunächst habe ich dann Waldorfpädagogik studieren wollen, habe aber schnell gemerkt, dass dort das Bildungsmaterial im Tanz sehr rigide ist, und noch schlimmer war das Frauenbild. So wechselte ich zu Sozialpädagogik in Bochum und Tanzpädagogik in Remscheid. Während dieser Zeit habe ich mich in unterschiedlichen Tanzrichtungen fortgebildet mit Schwerpunkt auf Afrikanischen Tanz. Danach habe ich entschieden, dass ich stärker in die Tanzimprovisation und das Tanztheater gehe - um ein breiteres Spektrum zu haben, und weil mich immer mehr die Persönlichkeiten der Menschen, mit denen ich getanzt habe, interessierten, insbesondere die Persönlichkeiten der Frauen.

Wie kam es dann zur Gründung des Zentrums? Das gibt es ja mittlerweile schon über 10 Jahre.

Nach meinem Jahr an der VHS war ich lange freie Mitarbeiterin und war zu der Zeit jeden Tag woanders. Dann wurde ich schwanger, und, und merkte deutlich, wie das schlaucht. Der ständige Ortswechsel genauso wie mein Anspruch an die Atmosphäre – ich war immer viel früher da, um den Raum einzurichten, damit es auch energetisch stimmte. Zuerst wollte ich hier nur einen Proberaum haben, um meine Kurse zu machen, und dann ist daraus das Zentrum entstanden. Das wuchs und wuchs und wuchs. So wie meine Tochter, die da mit aufgewachsen ist.

Ist es denn überhaupt noch möglich, als Freiberuflerin im kreativ-künstlerischen Bereich zu leben?

Also, in der Anfangszeit habe ich unglaublich viel unterrichtet. Und man muss unglaublich überzeugt sein von dem, was man tut. Und auch nicht alles annehmen, sehr selektiv gucken, was unterrichte ich, und wie, man powert sich ja unglaublich aus. Mittlerweile habe ich so einen Stand an Leuten mit einer geringen Fluktuation, fast zu gering, weil ich nicht genug neue Leute kriegen kann. Die Kapazitäten meiner Arbeitsmöglichkeiten reichen nicht, ich könnte mehr Kurse machen, aber ich kann nicht mehr unterrichten.

Was war der Kick für dich, dass du sagst, Kurse allein genügen dir nicht, du willst auch ausbilden?

Ich habe in meiner Ausbildung viele Dinge vermisst. Zuerst im Standard-Tanz, da habe ich gedacht: Diese jungen Menschen können ja nur vom Tanz weggetrieben werden, so wie in der Tanzschule der Standard-Tanz vermittelt wird. Da habe ich schon gesagt, ich werde Tanzpädagogin. Auch während meiner Ausbildung zur Diplom-Tanzpädagogin habe ich schon bewusst und sehr kritisch geguckt, auch von einem frauenparteilichen Standpunkt aus, auf Methodik, auf pädagogische und therapeutische Prozesse, auf gruppendynamische Prozesse. Viele Dinge habe ich dabei vermisst, das war ein so ein Antrieb, selber was aufzubauen.

Jetzt habe ich die Grundlagenpädagogik schon zweimal durchgeführt. Und ich unterrichte so, dass meine Schülerinnen auch sehr bewusst und kritisch sind und hinterfragen. Das hält sehr lebendig.

Du hast für die Ausbildung entschieden, dass du da nur Frauen nimmst. Ansonsten unterrichtest du aber auch gemischte Kurse.

In meinen Tanzimprovisation- und Tanztheaterkursen habe ich reine Frauenkurse wie auch gemischte Kurse, die völlig anders ablaufen. Die tänzerische Vorerfahrung ist bei Frauen einfach sehr viel höher als in gemischten Kursen, mit tänzerischer Vorerfahrung kann ich bei Männern meistens nicht viel reißen. Und ich kann einfach mit den Frauen andere Themen, die mir am Herzen liegen angehen, als in einer gemischten Gruppe.

Es gibt aber auch einen pragmatischen Raum: Ich habe ziemliche Ansprüche an den Tanzraum und die Atmosphäre eines Tagungshauses, und als ich mich umgeguckt habe, habe ich gemerkt, dass mir das nur die Frauenferienhäuser bieten.

Was macht für dich Tanz aus, was willst du vermitteln?

Ich bin diejenige, die lockt. Egal ob Tanztheater, ob Tanzimprovisation, ob prozess- oder zielorientiert. Ich bin davon überzeugt, dass jede und jeder zum einen eine Fähigkeit zu Rhythmus und Rhythmik hat, die aber ganz oft verschüttet ist, und dann bin ich davon überzeugt, dass jede und jeder ein starkes Ausdruckspotenzial in sich trägt, aber überhaupt nicht im Alltag leben kann. Und dass ist für mich ein heilende Aspekt im Tanz, ein Teil von sich selbst auszudrücken, sich ein Stück weit schutzlos zu machen, indem ich mich der Leitung und den andern in einer ganz andern Art und Weise zeige wie ich sonst als Hausfrau, als Chefin, als Architekt, als Pastorin. Viele sind AkademikerInnen mit unglaublich kopflastigen Berufen, die wenig Möglichkeiten haben an ihre Spontaneität, an ihre Ressourcen zu kommen, um ganzheitlich – auch wenn das schon so ein abgeschmackter Begriff ist, um ganzheitlich zu leben.

Nach meiner Erfahrung können die meisten nach spätestens einem Vierteljahr an ihre bewegte Emotionalität andocken und sich ohne Scheu ausdrücken. Ich bin davon überzeugt, dass sich das auch in den Alltag überträgt, so sind auch die Rückmeldungen die ich kriege. Ich sehe auch die Entwicklungen, weil die Frauen (und Männer) ja so lange in meinen Kursen habe, ich erlebe, wie sich Persönlichkeiten verändern, von – im Klischee gesprochen - Mäuschen zu selbstbewussten Frauen. Ich sehe mich da auch als Hebamme, als Hebamme für Entwicklung.

Das bedeutet, du verhilfst deinen Schülerinnen zu mehr Lebendigkeit.

Ja, deswegen kommen sie ja auch. Natürlich nicht bewusst, und nicht, indem sie mich anrufen und sagen: „Ich möchte mich jetzt mal ein bisschen lebendiger bewegen.“ So ist es ja nicht, es wird ja meistens nach einer bestimmten Tanzform gesucht oder sie kommen auf Empfehlung.

Kontakt und Kommunikation sind für meinen Unterricht etwas ganz, ganz wichtiges. Und in meinen Kursen sind auch nur Leute, die das möchten und suchen.

Ich mache in meinem Unterricht viel Körperarbeit, denn je stärker ich meinen Körper als Instrument spüre und ihn ausdrucksfähig mache, desto stärker kann ich auch die Emotionen verwirklichen, die ich ausdrücken möchte. Das ist die Maxime dessen, wie ich unterrichte. Vieles meiner Methodik kommt aus dem BMC, dem Body Mind Centering, einer Körperspürarbeit, die von der Amerikanerin Bonnie Bainbridge Cohen entwickelt wurde.

Ist Tanzimprovisation und Tanztheater eigentlich eine Marktlücke, unterscheidet sich dein Angebot von der übrigen Tanzszene?

Tanzimprovisation gibt es tatsächlich wenig, aber es wird auch wenig nachgefragt. Tanzimprovisation ist nicht der Renner auf dem Markt bei Menschen, die sich nicht weiter mit Tanz beschäftigen. Wer einen Tanzkurs sucht, macht meistens Standard, oder Salsa, oder Flamenco – eine bestimmte Richtung eben.

Aber Tanzimprovisation ist auch eine unliebsame Disziplin bei denen, die sich viel mit Tanz beschäftigen. Warum?

Alle Techniken, sei es Ballet, sei es Modern Dance, die haben in ihrer Ausbildung auch einen Teil Improvisation. Aber verschwindend wenig, und Improvisation ist so was anderes...

Es ist fantastisch, wenn ich eine gute Technik-Ausbildung habe und den Kontakt zu meinem Inneren behalte. Das ist aber in unserem Ausbildungssystem für Tanz nicht gegeben, weil der Drill immer so hoch ist. Da kann frau nicht viel spüren, sonst würde sie damit aufhören, weil es für den Körper nicht gut ist. Der Weg als ausgebildete Tänzerin zur Improvisation ist sehr, sehr schwer. Tänzerinnen, die über Jahre klassisch ausgebildet sind, die haben unglaubliche Schwierigkeiten. Es ist dann natürlich beglückend, wenn da ein Funke überspringt.

Improvisation ist in der Tanzszene nicht hoch bewertet mit wenigen Ausnahmen, bei uns vielleicht Folkwang in Essen oder der Bereich Elementarer Tanz in der Maya Lex-Sporthochschule in Köln.

Tanzimprovisation spricht meistens Frauen an, die Lust haben, mehr mit ihrem Körper zu machen, und die bereit sind, sich mit sich selbst auseinander zu setzen in einem künstlerischen, kreativen Prozess.

Aber wenn ich mich dann unter Druck setze, total kreativ zu sein, dann passiert auch nichts, denn das ist auch Stress. Das heißt, ich habe nur die Möglichkeit, ganz raus zu gehen oder eben mich einzulassen. Das heißt, mich der Leiterin ein Stück weit zu übergeben und zu vertrauen und mich in diesem Improvisationsprozess führen zu lassen. Auch wenn ich nicht weiß, was da rauskommt.

Natürlich ist das nicht immer so einfach. Ich verstehe mich da sehr stark als Tanzpädagogin, die prozess- und zielorientiert arbeite. Schwierigkeiten oder Hemmnisse mache ich nicht zum Thema, nicht in der Gruppe und nicht in der Einzelarbeit, wenn es nicht von der Tänzerin gewünscht wird. Ich benutze ähnliche Elemente wie in der Tanztherapie, aber die Weiterführung ist anders.

Tanzimprovisation ist vielleicht auch darum wenig angeboten, zum Beispiel an Volkshochschulen, weil es stärker als andere Tanzangebote stark an die Persönlichkeit gebunden ist. Wenn ich nicht das Vertrauen habe, kann ich mich nicht überlassen, dann ist der Improvisationsprozess auch eher unbefriedigend.

Hinterher, wenn ich aus einer Improvisation eine Gestaltung mache, ist es ein Stück von jeder einzelnen, , was dann da ist, und das ist unglaublich beglückend und befriedigend,– oder auch nicht, wenn es mal nicht geht. Aber das habe ich selten. Die, die kommen und bleiben, lassen sich ein. Oder ich versuche sie so zu locken, dass es funktioniert.

Wie alt muss oder darf man sein für Tanzimprovisation?

Das Alterspektrum meiner Teilnehmerinnen ist groß. Meine jüngste Teilnehmerin ist gerade 18 geworden, die älteste ist im Augenblick in der Grundqualifikation Tanzpädagogik und 62 Jahre alt. Dazwischen ist alles, das Gros ist zwischen 30 und 50.

In der Ausbildung sind ganz viele, die als Mädchen den Wunsch hatten, Tänzerin zu werden, und das greife ich auch auf, das ist ein ganz toller Impuls, eine ganz tolle Quelle, da anzudocken und das sozusagen nachzuholen. Es ist eine ganz tolle Arbeit, ich möchte keine andere tun. Sonst könnte ich das auch gar nicht aushalten, so viel wie ich arbeiten muss.

Auf deiner Website ist mir der Satz „Tanzen lacht das Leben an“ aufgefallen. Was meinst du damit?

Der Satz ist schon vor sechs, sieben Jahren entstanden. Damals hat eine Kollegin sich damit beschäftigt hat, wie das sprachlich, in kurzen Sätzen und Schlagworten, ausgedrückt werden kann, was hier passiert.

Es ist durchgängig so, dass das Ganze hier sehr humorvoll ist. Der Tanz ist für mich ohne Lachen überhaupt nicht denkbar. Das heißt nicht, dass hier eine Komik-Veranstaltung abläuft, es heißt einfach, dass das Element der Freude mir ganz wichtig ist. Dass das auch die Schattenseite beinhaltet, das es auch manchmal traurig sein kann, das ist völlig klar Und das nicht nur Leichtigkeit überwiegt, sondern dass es auch manchmal ganz schön schwer ist, ist auch klar, aber mein Fokus ist ganz klar auf der Freude, auf dem Lachen, auf der Leichtigkeit, auf dem Miteinander, dem Sich-Wohlfühlen. Darauf basiert die prozessorientierte Arbeit, die zielorientierte Arbeit und die Arbeit bei mir selber wie auch bei meinen TeilnehmerInnen, die eigene Quelle, die ja jeder hat, aufzufinden und daran andocken zu können. Und das geht nur durch Freude, meine ich, davon bin ich überzeugt.

Was sind deine nächsten Pläne?

Nächstes Jahr will ich die Akademie für Tanzpädagogik gründen um die Arbeit weiter zu professionalisieren. Neben der Grundqualifikation wird es dann eine Aufbauqualifikation geben, und für Professionelle gezielte Fortbildungsangebote für Professionelle und tanzpädagogische Einzelarbeit.

Viel Erfolg und danke für das Gespräch.
Gabriela Jüttner, feministische Tanzpädagogin, Gründerin und Leiterin des Zentrum für Bewegung und Tanz in Bochum.
Antje Röckemann, von Beruf Pfarrerin und Frauenreferentin in einem westfälischen Kirchenkreis, Tänzerin in der Freizeit, Mitherausgeberin der Schlangenbrut.

Antje Röckemann
Tanzimprovisation oder vom tänzerischen Spiel mit dem eigenen Körper
Ein Gespräch mit der Tanzpädagogin Gabriela Jüttner
Veröffentlicht in:
Schlangenbrut Nr. 96 (2007) „Spiel“, zu bestellen unter: www.schlangenbrut.de
 

Spielregeln und klare Anweisungen bieten den Rahmen, in dem sich Tanzimprovisation entwickeln kann. Gabriela Jüttner will dazu anstiften, auf eine spielerisch-tänzerische Entdeckungsreise zu gehen – wie das in der Tanzimprovisation möglich wird, erläutert sie im Gespräch.

Antje Röckemann:

Gabriela, du unterrichtest Tanz. Was hat Tanzen mit Spielen zu tun?

Gabriela Jüttner: Ich unterrichte vor allem Tanzimprovisation, das ist eine Methode, die von vornherein viel Raum lässt für spielerische Elemente. Tanzimprovisation funktioniert wie ein Spiel: Es gibt Spielregeln und innerhalb der Regeln kann auf spielerische Weise improvisiert werden, wird ein Tanz entwickelt. Tanzimprovisation ist Spielen mit dem Körper, mit Bewegung. Die Anstrengung, die das Improvisieren erfordert, wird nicht als solche wahr-genommen, wenn man in die richtige Konzentration, eine bestimmte Energie gekommen ist.

Wie kann ich mir das konkret vorstellen? Ich komme zu meiner ersten Tanzimprovisationsstunde bei dir – was erwartet mich?

Bei Anfängerinnen und Anfängern achte ich besonders darauf, dass sie sich sicher fühlen. Ich gebe also sehr klare und einfache Spielregeln vor. Ich beginne immer mit Körperübungen zum Ankommen und Aufwärmen. Danach könnte eine erste Spielregel sein: Bewegt euch tänzerisch von der einen Raumseite zur anderen. Nach einiger Zeit könnte dann die Auf-forderung dazu kommen: Bezieht auch den Boden mit ein in euren Tanzweg. Weitere Spielregeln könnten sich auf die Dynamik beziehen – schnelle Bewegungen, Zeitlupen-bewegungen. Die Musik, die ich dazu auswähle, soll das tänzerische Spiel unterstützen.

Es ist wichtig, dass es einen klaren Rahmen und klare Anweisungen gibt. Wenn ich zuviel Freiheit lasse, verhindert es, dass die Teilnehmenden an ihre tieferen Schichten kommen und die Chance haben, neue Bewegungsmöglichkeiten zu finden.

Wie spielerisch ist denn das, was dann in so einer Gruppe passiert? Oder anders gefragt: Wie lange muss ich Unterricht nehmen, bis ich spielerisch tanzen kann?

Je nach den Vorerfahrungen und der spielerischen Sozialisation kann das unterschiedlich leicht und schnell entwickelt werden. Mitmachen kann jede und jeder sofort – dass es um Improvisation geht, haben die Teilnehmenden ja vorher in der Ausschreibung gelesen. Nach meiner Erfahrung dauert es höchstens zwei bis drei Monate, bis jemand an das eigene Ausdruckspotenzial anknüpfen kann, und sich traut, sich freier zu bewegen. „Sich trauen“ ist dabei vielleicht der falsche Ausdruck – es geht eher darum, die Kontrolle über das, was passiert, ein Stück abzugeben, sich dem Tanz, den Bewegungen, der Musik hinzugeben und einfach wahrzunehmen, was passiert.

Dafür ist ganz wichtig ist, wie ich schon sagte, dass es einen Rahmen gibt. Innerhalb dessen gibt es die Chance, den großen, schöpferischen Pool an Bewegungsmöglichkeiten anzuzapfen.

Wie kriegst du deine TeilnehmerInnen dazu, zu spielen, kreativ neue Bewegungsmöglichkeiten zu entwickeln, zu improvisieren? Das ist ja etwas, was wir im Alltag meist eher nicht tun.

Zum einen ist mir die Körperarbeit sehr wichtig, das nimmt einen breiten Raum in meinem Unterricht ein. Um zu Spielen, zu Improvisieren muss ich ganz im Hier und Jetzt sein und das setzt im Körper an, das ist nicht nur etwas Intellektuelles. Denken ist kein eigenständiger Faktor und hat in der Tanzimprovisation nicht so eine große Bedeutung.

Es geht um Sinneswahrnehmung, ums Schauen, Hören, das Wahrnehmen der eigenen Bewegungen, das Fühlen des Bodens, der anderen TänzerInnen ... Zum andern ist einfach wichtig, das ich das Lustvolle, das Kindliche in mir als Tanzpädagogin selber pflege, das Wissen darum in mir nähre. Das spüren die Frauen, wenn ich sie unterrichte. Es ist meine Begeisterung, die dazu anstiftet, selber auf Entdeckungsreise zu gehen und nicht zu planen, was entdeckt werden soll.

Du hast gerade von Frauen gesprochen. Unterrichtest du nur Frauen, oder hast du auch gemischte Gruppen?

Ich unterrichte viele reine Frauengruppen. Aber auch gemischte Gruppen. Das bietet Männern wie Frauen die Chance, sich in dem geschützten Rahmen anders als im Alltag zu bewegen und zu begegnen. Rollenmuster können aufgehoben werden. Ein simples Beispiel: Im Klischee gesprochen, machen sich Männer ja eher groß und Frauen machen sich klein. Wenn ich in der Tanzimprovisation auffordere, mit klein und groß zu spielen, machen möglicherweise beide Geschlechter neue Erfahrungen.

Außerdem tritt im Miteinander der TänzerInnen das Private in den Hintergrund. Es ist nicht wichtig, was für eine Position jemand im Beruf hat. Man nimmt sich auf einer anderen Ebene, als Person untereinander wahr. Im Vordergrund steht die Wahrnehmung als Tänzerin und Tänzer – ich weiß vielleicht nicht den Beruf und den Familienstand, aber ich weiß, wie sich jemand bewegt und im Kontakt anfühlt. Der Schutzraum bietet die Chance, sich in unverfälschter Form gegenseitig wahrzunehmen.

Ist Tanzimprovisation dann vor allem Selbsterfahrung? Oder ist das auch für die Bühne geeignet?

Ein Auftritt verändert natürlich die Zielsetzung. Trotzdem muss gerade auch für die Aufführung das Spielerische so weit entwickelt sein, dass die TänzerInnen auch auf der Bühne Zugang dazu haben, damit der Tanz lebendig ist und sich diese Energie auf die Zuschauenden übertragen kann.

Benutzt du das Wort „Spielen“ in deinen Ausschreibungen und Tanzanleitungen?

(Gabriela lacht.) Nein, fast nie. Für Erwachsenene ist Spielen, und dann noch in Bezug auf sich selbst, auf die eigenen Bewegungsmöglichkeiten, den eigenen tänzerischen Ausdruck meist eher befremdlich. Das heißt, spielen möchten sie schon – aber der Begriff erschwert eher die Sache. Spielen ist ja auch immer Kontrollverlust, oder – das ist ein besser klingender Ausdruck – Selbstvergessenheit. Wenn Kinder spielen, sind sie ganz im Hier und Jetzt und vergessen die Welt um sich herum, sie nehmen aber sehr genau ihren eigenen Körper wahr, unbewusst. In meinemTanzunterricht biete ich einen Rahmen, in dem auch Erwachsene diese Selbstvergessenheit erfahren können, wo sie eine Möglichkeit haben, lustvoll, nicht zensiert und weniger kontrolliert zu sein. Eben im Tanz und im tänzerischen Spiel mit dem eigenen Körper.

Gabriela Jüttner ist feministische Tanzpädagogin mit Schwerpunkt Tanzimprovisation. Sie gründete das Zentrum für Bewegung und Tanz in Bochum und im Jahr 2005 die Akademie für Tanzpädagogik (www.zentrumtanz.de).

Antje Röckemann, von Beruf Pfarrerin und Frauenreferentin in einem westfälischen Kirchenkreis, Tänzerin in der Freizeit, Mitherausgeberin der Schlangenbrut.